Psychosoziale Notfallversorgung
Beistand in den schwersten Stunden
Die richtigen Worte für das eigentlich Unsagbare finden, Ruhe bewahren und zugleich Empathie zeigen: Herausfordernd ist die Arbeit in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) ganz gewiss. Aber auch ungeheuer wichtig und erfüllend. Zum Beispiel in der Hansestadt Lübeck.
Heinz-Peter Harms, Lisa Wilms, Vivienne Birzer und Ann-Katrin Hellberg (von links) engagieren sich für den ASB Lübeck in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Ebenfalls zum Team gehören Katharina Schmidt, Lina Klaßen, Sebastian Wolf und Stefan Westfechtel, die beim Fototermin nicht anwesend sein konnten.
Foto: Martin Geist
Ein schweres Unglück, ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt und viele weitere Geschehnisse können von einer auf die andere Sekunde dazu führen, dass ein Leben in große Gefahr gerät oder ganz erlischt. Fast immer gibt es dann Menschen, die – egal ob als Unfallzeugen oder als Angehörige – unmittelbar betroffen sind und nicht allein gelassen werden sollten. Genau dieser Aufgabe stellen sich die fünf Frauen und drei Männer, die aktuell das PSNV-Team im ASB-Regionalverband Lübeck bilden.
Seit Anfang 2022 ist die Gruppe fest ins System der Psychosozialen Notfallversorgung in der Hansestadt eingebunden. Die beruflichen Hintergründe sind dabei sehr verschieden. Fachbereichsleiter Heinz-Peter Harms verdient sein Geld in der Integrierten Regionalleitstelle Süd des Kreises Stormarn, Vivienne Birzer arbeitet als Notfallsanitäterin in Lübeck, Lisa Wilms ist studierte Psychologin, während Ann-Katrin Hellberg in einem Forschungslabor des Lübecker Uniklinikums tätig ist.
Was alle eint, ist die Entschlossenheit, Menschen beizustehen, wenn sie es am nötigsten brauchen. „Man weiß ja im Einzelfall nicht wirklich, was auf einen zukommt, aber in irgendeiner Form geht es immer um eine existenzielle Krise“, sagt Ann-Katrin Hellberg, die ein Buch über Psychosoziale Notfallversorgung las und dann beschloss, sich selber für dieses Anliegen einzusetzen.
Aktiv ist das ASB-Team unter Regie der Berufsfeuerwehr der Stadt Lübeck, die auch auf Seelsorgerinnen und Seelsorger der beiden großen Kirchen zurückgreifen kann. Jeweils über sieben Tage erstreckt sich dabei eine Dienstwoche, abrufbar sein müssen die Freiwilligen dann rund um die Uhr.
Durch gute Kontakte zum Krisen-Interventions-Team (KIT) des ASB in München hat die Lübecker Gruppe das Glück, sich an einer der besten Adressen in ganz Deutschland aus- und weiterbilden zu können. Das KIT bewältigt im Jahr um die 1000 Einsätze und ist oft fürs Auswärtige Amt unterwegs. An den entsprechenden Erfahrungen haben die Norddeutschen unter anderem durch Praktika von drei bis fünf Tagen teil.
Ob im Notfall die PSNV hinzugezogen wird, unterliegt dem Fingerspitzengefühl der Einsatzkräfte vor Ort. Und das Spektrum ist dabei durchaus breit. Jüngst hatten die Lübecker innerhalb eines Praktikums in München eine im Grunde erfreuliche Aufgabe und kümmerten sich um Ersthelfer, die nach einem Herzinfarkt die betroffene Person erfolgreich wiederbelebten. „Es ging zwar zum Glück gut aus, aber die Leute waren eben fix und fertig“, erinnert Heinz-Peter Harms an den enormen Stress, den eine solche Ausnahmesituation hervorrufen kann.
Innerhalb des KIT-Praktikums hatten die Freiwilligen, die ihre Aufgaben stets zu zweit wahrnehmen, aber auch schon überaus tragische Situationen durchzustehen. Die traurige Botschaft über einen Tod aus ungeklärter Ursache übermitteln, die Ehefrau darüber informieren, dass sich ihr Mann das Leben genommen hat, das verursacht tiefe Schocks, die sich sehr unterschiedlich ausdrücken können. Manche sinken nach Angaben vom Ann-Katrin Hellberg völlig in sich zusammen, andere reagieren mit Unglauben, Hysterie oder ohnmächtiger Wut.
„Empathie ist das Wichtigste“, beschreibt Heinz-Peter Harms, worauf es dann ankommt. Und stimmt seiner Mitstreiterin Hellberg zu, dass gleichzeitig „liebevoller Abstand“ gefragt ist. Niemand hat nach ihrer Überzeugung schließlich etwas davon, wenn die Helferinnen oder Helfer selbst in Panik verfallen.
Damit solche Herausforderungen bewältigt werden können, nimmt das Team regelmäßig an einer Supervision teil, aber auch an Fortbildungen. Die Arbeit des Kriminaldauerdienstes war schon ein Thema, auch der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst „Die Muschel“, und demnächst steht ein Fachtag über die psychosoziale Notfallversorgung bei Kindern und Jugendlichen an. Bei alldem handelt es sich um ernsthafte Inhalte, die zugleich aber auch die eigene Person bereichern können. „Man lernt immer auch etwas für sich selbst dazu“, beschreibt Vivienne Birzer das gute Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun.