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Üben ohne es zu merken
Let's dance! Antje Liesenberg vom Heimbeirat macht es im Sitzen, Stefanie Klostermann von der Sozialbetreuung im Stehen. Spaß haben sie beide.
„Gesunde Lebenswelten“ heißt ein Programm, in dem die deutschen Ersatzkrankenkassen entsprechende Angebote an Pflegeheime, zu Hause Lebende und auch an die Beschäftigten in deutschen Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern unterbreiten. „Das haben wir gern angenommen“, erzählt Sven Mischok, Geschäftsführer des ASB-Regionalverbands Kreis Plön, der in Schönberg ein großes Zentrum für Ältere mit und ohne Pflegebedarf betreibt.
Speziell geht es dabei um eine kleine Kiste mit großen Möglichkeiten. „memorePlus“ nennt sich das Ganze, und es läuft auf ein digital gestütztes Bewegungsprogramm für Menschen selbst mit erheblichen motorischen Einschränkungen hinaus. Das Prinzip erinnert ein Stück weit an die von Nintendo entwickelte Wii-Box, die ebenfalls allerlei spaßig-sportliche Betätigungen ermöglicht, doch bei genauem Hinsehen läuft es in vielerlei Hinsicht etwas anders.
Los geht es schon bei der denkbar einfachen Technik: Ein Fernsehgerät, die „memorePlus“-Box mit einer Kamera , dazu ein paar Kabel, schon kann es losgehen. Nach dem Motto „Eine Box – ein Knopf“ genügt tatsächlich das Antippen des einzigen Knopfes an der Konsole, damit die Dinge ihren Lauf nehmen. Welches Spiel gespielt oder ob zu einem anderen gewechselt werden soll, das legen die Teilnehmenden ganz ohne Konsole allein durch Heben ihres Unterarms fest.
„Das klappt“, freut sich Antje Liesenberg, die sich bei der Schönberger Premiere von „memorePlus“ als allererste Bewohnerin ins sportliche Vergnügen gestürzt hat. Schwungvoll in die Knie, eine kräftigte Ausholbewegung mit dem Oberarm, auf Anhieb trifft sie alle Neune – bis auf eine Figur, die am Ende doch nicht fallen will. Frau Liesenberg strahlt. Weil sie ein Erfolgserlebnis hat und weil es so einfach ist mit diesem digitalen Spiel. „Computermäßig bin ich vollkommen eine Null“, gibt die 79-Jährige zu bedenken.
Let's dance! Antje Liesenberg vom Heimbeirat macht es im Sitzen, Stefanie Klostermann von der Sozialbetreuung im Stehen, Pflegedienstleiterin Sandra Trense (hinten links) und Beraterin Claudia Heitländer betrachten sich die Schau aus sicherer Entfernung.
Über solche Aussagen freut sich Claudia Heitländer, Beraterin in Diensten der erst im Jahr 2014 gegründeten Firma RetroBrain, die das System speziell für Ältere entwickelt hat. Und nicht nur das: Die sensible Software erkennt selbst grobe Gesten und macht viele Übungen auch für Menschen möglich, die etwa wegen einer Parkinson-Erkrankung oder nach einem Schlaganfall motorisch eingeschränkt sind. So hätte Antje Liesenberg, die als Vertreterin des Heimbeirats dabei war, fürs Kegeln nicht in die Knie gehen müssen, sondern sogar ganz bequem im Sitzen teilnehmen können.
Für die Abteilung Tanzen hat sich die Seniorin Bill Ramseys Hit von der Mimi mit dem Krimi ausgesucht. Flotter Rhythmus, flotte Bewegungen, und diesmal macht die 79-jährige tatsächlich vom Stuhl aus mit. Die gute Laune leidet nicht darunter, betont sie später bei ihrem Resümee: „Es gefällt mir, und viele andere im Haus sind bestimmt auch begeistert.“
Aktuell haben in dem Programm sechs Spiele Potenzial zum Begeistern. Neben Kegeln und Tanzen sind das Singen, Tischtennis, eine Sonntagsfahrt auf dem Motorrad und ein Briefträger-Spiel. Letzteres zum Beispiel fordert Schultermuskulatur und gedankliche wie motorische Koordination, bei der Sonntagsfahrt wird das Fahrzeug durch Bewegung des Oberkörpers gesteuert und der Gleichgewichtssinn trainiert. Auf diese Weise zeitigen alle Spiele bestimmte Trainingseffekte, ohne dass es einem wirklich bewusst wird.
Mehr noch: Wie Claudia Heitländer betont, gehört die „memoreBox“ zu den weltweit ersten Videospielen, die als Medizinprodukt anerkannt sind. „Therapeutische Konzepte spielerisch umzusetzen“, das ist nach ihrer Überzeugung in diesem Musterbeispiel für das, was die Fachwelt Gamifizierung nennt, nahezu perfekt gelungen.
Das Pflegewohnheim des ASB in Schönberg hat nun dank der Förderung der Ersatzkassen zwei Jahre Zeit, die Neuerung kostenlos auf ihre Alltagstauglichkeit zu erproben. Wobei sich Pflegedienstleiterin Sandra Trense und Stefanie Klostermann von der Sozialbetreuung zumindest nach den ersten Selbstversuchen gut vorstellen können, dass die clevere Box auch über diese Zeit hinaus zum Freizeitangebot des Hauses in der Ostsee-Gemeinde gehören wird.