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"Sie war mein bester Kumpel."
Vielleicht ist das Geheimnis einer glücklichen Ehe das, dass einer von beiden etwas sagt – und der andere es macht. Diese philosophischen Gedanken habe ich auf der Rückfahrt der heutigen Wunschfahrt im Kopf. Das Radio im Auto ist aus, die Sitzheizung läuft volle Pulle. Es ist kalt und regnerisch, aber innendrin fühle ich mich ganz warm und beglückt.
Sah gar nicht so aus, als ob es ein so außergewöhnlicher Tag werden würde. Nicht, als mein Wecker um 4.00 Uhr (VIER UHR!!!) klingelte, damit ich rechtzeitig beim Wünschewagen bin. Nicht, als Marlen, meine heutige Partnerin, anrief, dass sie auf der Autobahn steht und aufgrund der Vollsperrung vermutlich nicht pünktlich sein wird. Und auch nicht mit Blick auf das heutige Fahrziel. Kapelle 10, Ohlsdorfer Friedhof.
Die Wünsche unserer Fahrgäste sind so individuell, wie die Menschen, die wir begleiten. Oft geht es an den Strand, manchmal zu Orten oder Menschen, die im Leben besonders wichtig waren. Heute geht es auf den Friedhof, zur Beisetzung von Helga.
Als Marlen und ich in der Einrichtung ankommen, sitzt Heinz auf dem Bett und erwartet uns. Wir helfen beim Anziehen und wieder einmal merke ich, dass Nähe Nähe schafft. Vor einigen Minuten kannten wir uns noch nicht, jetzt kniee ich vor ihm und zupfe die schwarze Hose zurecht, die auf dem Haken hing. Heinz ist ein echter „Hamburger Jung“ und als er den Elbsegler (für alle Nicht-Hamburger: Typische Seemanns-Mütze, so ähnlich wie die, die Helmut Schmidt getragen hat) auf das strubbelige Haar setzt, sieht er auch genau so aus. Es ist erkennbar, wie viel Zuneigung und Wertschätzung ihm entgegengebracht wird. Von der Pflegerin, die trotz des traurigen Anlasses liebevoll mit ihm scherzt, von Angela, der ehrenamtlichen Hospizbegleiterin, die uns im Wagen begleitet.
Die Fahrt zum Friedhof ist kurz, wir bringen Heinz samt Sauerstoffgerät und eingekuschelt in viele Decken in die Kapelle. Der Redner ist wunderbar, geht auf die Ehe von Heinz und Helga ein und Marlen und ich haben nach ein paar Minuten das Gefühl, beide schon lange zu kennen. Wir sitzen hinten, nahe genug um helfen zu können, wenn Heinz uns braucht, mit genug Entfernung, um die Familie in ihrer Trauer nicht zu stören. Sie sind nahe beieinander, berühren Heinz an Wangen und Schultern und nehmen Abschied von Helga, die nicht nur Ehefrau, sondern auch Mutter, Oma und Freundin für so viele war.
Es ist ruckelig für Heinz, als wir ihn auf der Trage zum Urnengrab bringen. So, wie der Redner auch die Zeit mit Helga beschrieben hat. Nicht immer einfach, nicht immer nur Sonnenschein. Wie auch? 57 Jahre Ehe, davor „5 Jahre auf Probe“, wie er uns lachend erzählt. „Sie war ein Biest. Aber da war ganz viel Liebe.“ Es fällt ihm schwer, die Vorstellung, jetzt ohne sie zu sein. Diese Frau, die ihn so geprägt hat, in diesen Jahren, die Mutter seiner Kinder.
Heinz verzaubert uns mit seinem Charme, als wir zurück in die Einrichtung fahren. Ein kleiner Raum ist liebevoll eingedeckt, es gibt Kaffee und Brötchen. Wir waren schnell, der Wünschewagen stand direkt vor der Kapelle, deswegen sind wir eine Zeit alleine. „Sie war mein bester Kumpel“ sagt er, als ich ihm das kleine Kissen in Herzform schenke, dass wir immer im Wagen haben. Er drückt das Kissen fest an sich und wir müssen alle ein bisschen blinzeln, weil in diesem Moment die Liebe zu Helga spürbar ist. Angela spricht ihn an, sie kannte Helga. Wie schwierig es ist, zu bleiben, wenn die Partnerin gegangen ist. Dass er diesen schweren Weg gehen musste, sich zu verabschieden. Weil er es vielleicht besser konnte als sie, die ihm so oft gesagt hat, was zu tun ist.
So wie damals, als er im Koma lag und die Ärzte ihm keine Chance mehr gegeben haben. „Ihr Mann stirbt“, haben sie zu Helga gesagt. „Mein Mann stirbt nicht!“ – hat sie geantwortet. Und Heinz hat auf sie gehört. Vielleicht ist es das, das Geheimnis einer glücklichen Ehe. Wir möchten uns von ganzem Herzen bei der Familie von Heinz bedanken, die uns so wertschätzend und freundlich aufgenommen hat.