- Startseite
- Aktuelles / Presse
- Noch einmal nach Heikendorf an den Strand
Noch einmal nach Heikendorf an den Strand
„Noch einmal nach Heikendorf an den Strand, an dem ich als Kind so viel gespielt habe.“ Mit diesem bescheidenen Wunsch wendete sich die Familie unseres Fahrgastes an unsere Koordinatorin. Aufgrund der fortgeschrittenen schweren Erkrankung blieb nicht mehr viel Zeit und so konnten Dörnte und ich bereits wenige Tage nach der Anfrage zu unserer gemeinsamen Wunschfahrt aufbrechen und unserem Gast und seiner Familie diesen Wunsch erfüllen.
Wir kamen am Vormittag bei unserem Fahrgast Rolf an. Von Elmshorn, wo unser Wünschewagen stationiert ist, waren es nur wenige Minuten Fahrt, auf der wir nochmal die Patientenakte durchgehen und uns absprechen konnten.
Wir wurden freudig und aufgeregt von Rolf, seiner Frau Simone und Sohn Philipp begrüßt. Der Berner Sennenhund Kaspar brachte Herrchens Schuhe direkt ans Bett; Jacke, Mütze und das Nötigste für die Fahrt waren schnell gepackt und dann galt es mit dem Tragestuhl die erste Hürde, das enge Treppenhaus, zu überwinden.
Gut gebettet auf der Trage fuhren wir unseren Gast über Landstraßen und Autobahn nach Kiel; der Himmel ließ zwischendurch die Sonne aufblitzen und unser Gast konnte nach einer kleinen Gewöhnung die Fahrt und die wieder gewonnenen Eindrücke genießen. Zu lange schon war er nicht mehr rausgekommen, und jetzt so viele Eindrücke auf einmal.
Gegen Mittag erreichten wir ein kleines Restaurant in Heikendorf, direkt am Wasser… dort, wo unser Gast seine Kindheit verbracht hatte. Mit dem Rollstuhl ging es zu unserem reservierten Tisch, und zu seiner großen Begeisterung saß Rolf wieder an seinem Stammplatz, wie schon vor vielen, vielen Jahrzehnten. Was für ein schöner Zufall.
Während wir etwas aßen, konnte unser Gast nur ein wenig an seinem Pfefferminztee nippen. Zu sehr hatte die schwere Krankheit seinem Körper bereits zugesetzt. Aber er konnte den Blick auf die Förde genießen. Auf die Schleuse vom Kiel-Kanal, die Marine, die Schiffe… das bekannte Panorama, was er seit über 70 Jahren so gut erinnerte.
Wir schoben den Rollstuhl ein wenig an den kleinen Strand, machten einen paar Fotos und unser Fahrgast konnte noch ein wenig aus seiner Kindheit berichten. Wie häufig er klitschnass vom Ostseewasser nach Hause gekommen war und was man alles an diesem kleinen Strand erlebt hatte. Und es wurde noch einmal das Kieler Panorama aufgesogen, das hatte sich unser Gast so sehr gewünscht.
Wir beschlossen gemeinsam, mit dem Wünschewagen und den beiden Söhnen im Begleitfahrzeug noch einmal um die Förde zu fahren. Vorbei an der alten Heimat, der großen Werft mit dem weithin sichtbaren Portalkran, der Hörn und den Fähren, die von Kiel nach Oslo und Göteborg pendeln, die Kiellinie entlang und über die Hochbrücke bis zum Leuchtturm nach Bülk.
Von Bülk aus hat man einen wunderbaren Blick direkt auf die Eckernförder Bucht, die weite Ostsee und die Kieler Förde.
Wir packten unseren Gast warm ein und schoben ihn behutsam bis kurz vor den Strand, um diesen Ort und diesen Eindruck mit dem Rauschen des Meeres noch einmal genießen zu können. Es wurde still, es flossen Tränen und jedem war klar, dass dies der letzte gemeinsame Moment an diesem Ort am Meer sein würde. Dunkle Wolken und durchblitzende Sonnenstrahlen wechselten sich ab; ein ehrfürchtiger Moment.
Stiller als noch auf der Hinfahrt brachten wir unseren Gast wieder heim. Sonne und Regen wechselten sich ab, wie passend zu diesem Tag. Es ging wieder die Treppe hinauf und zurück ins Bett. Der Tag hatte viel Kraft gekostet und nach einer herzlichen Umarmung verabschiedeten wir uns von Rolf und seiner Simone.
Dörnte und ich saßen noch einen Moment im Wünschewagen und ließen die Gedanken nachklingen, ehe wir zurückfuhren. Diese Wunschfahrt hatte so sehr gezeigt, warum wir tun was wir tun und warum wir alles Erdenkliche möglich machen, um letzte Wünsche noch rechtzeitig zu erfüllen.
Wenige Tage nach unserer Fahrt ist Rolf an seiner schweren Erkrankung verstorben. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt Simone, Philipp und Benni sowie allen Angehörigen und Freunden.